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portrait

 

Ich war stets ein fröhlicher, mit Humor ausgerüsteter Mensch. Auch war ich begeisterter Sportler, rauchte selbstverständlich nicht und war sowieso gegen Drogen

 

  Reto  

 

Vom lebensfrohen Reto
zum hasserfüllten Junkie.
Reto, das bist nicht du.

   

5 Jahre drogensüchtig,
seit 1993 drogenfrei

kopf

Reto: Mehr und Mehr

Im Rückblick auf meine Kindheit kann ich sagen, dass es eine glückliche Zeit war, obwohl mein Vater immer wieder im Ausland arbeitete und meine Mutter, mein Bruder und ich oft alleine waren. Ich begann mit 16 in Winterthur eine Malerlehre. Ich war stets ein fröhlicher, mit Humor ausgerüsteter Mensch. Auch war ich begeisterter Sportler, rauchte selbstverständlich nicht und war sowieso gegen Drogen. Fussball und Hockey waren meine Leidenschaften und ich reiste in der ganzen Schweiz umher, um meine Idole zu sehen und anzufeuern.

Alle Probleme und Sehnsüchte weg

Gegen Ende der Lehre wurde mir in einer Disco ein Joint angeboten. Weil ich dazugehören wollte, rauchte ich diesen – wenn auch mit Angst. Doch ich beruhigte mich – ich hatte ja das Leben eh im Griff, und es würde sowieso bei diesem einen Mal bleiben. Doch an diesem Abend fühlte ich mich irgendwie anders. Alle Lebensfragen, Probleme und Sehnsüchte waren weg, ich fühlte Frieden und es war alles so leicht und lustig. Leider war dieses Hochgefühl am andern Tag wie weggeblasen.

Plötzlich fragte ich mich: Kann denn ein normaler Mensch arbeiten, schlafen, arbeiten und dazwischen mal Hockey? Und das bis 65! – Nein danke!

So begann ich hie und da Haschisch zu rauchen und trank immer noch Bier dazu. Diese Kombination verschaffte mir die nötige Leichtigkeit. Ich schob alle Probleme zur Seite und absolvierte den Rest der Lehre und die Rekrutenschule. Viele meiner Kollegen konsumierten harte Drogen, aber da war ich strikt dagegen, ja ich verurteilte sie deswegen.

Platzspitzerfahrungen

Ich hatte Arbeit, Auto, Freundin, aber Hasch und Alkohol fuhren nicht mehr so stark ein. Nachdem die Beziehung zu meiner Freundin platzte, war ich so weit, dass ich für eine Woche Heroin sniffte. Auf dem Platzspitz gefiel es mir sofort – alle im gleichen Dreck. Zwar hatte ich Angst vor Spritzen, verabscheute die Fixer, und doch hielt ich mich immer mehr bei ihnen auf. Nach der einen Woche fühlte ich mich ohne Stoff elend und begann auch bald zu spritzen. Ich hatte viel Geld, konnte also Heroin, Kokain und Hasch auch während der Arbeit konsumieren. Ich dachte "in" zu sein und glaubte, jederzeit aufhören zu können. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich immer tiefer sank. Ich spritzte bald auch während der Arbeit, belog meine Eltern und lehnte jede Hilfe ab. Im Dezember 1992 bekam ich Gelbsucht und hörte für eine Zeit lang auf zu arbeiten. In dieser Zeit brach mein Bruder seine Lehre ab und begann am Letten zu leben.

Alles musste in die Venen

So frei wie mein Bruder wollte ich auch sein – ohne Autoritäten, ohne Arbeit. Ich begann zu dealen, konsumierte Drogen und Schlafmittel, ja es musste einfach alles in die Venen. Ich lernte dort auf der Gasse einen Franziskaner, Bruder Leonhard, kennen. Der redete und betete mit den Süchtigen und brachte ihnen echte Liebe entgegen. Auch ein anderer christlicher Gassenarbeiter begegnete mir einige Male und sprach mich immer mit Reto an. Auch wenn er mich lange nicht mehr traf, wusste er meinen Vornamen noch, was mich jedes Mal erstaunte.

Reto, das bist nicht du

Zu Hause hatte meine Mutter die Nase voll. Überall Blut, Nadeln und Stoff machten ihr Angst. Sie sagte immer: "Vom lebensfrohen Reto zum hasserfüllten Junkie. Reto, das bist nicht du." Sie warf mich deshalb raus, was das einzig Richtige war. Trotz Methadon wurde es mit mir nicht besser. Ich lebte auf der Gasse und in Notschlafstellen. Schliesslich wurde ich in Winterthur verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe bzw. einem Massnahmevollzug verurteilt.
Durch den Sunne-Egge von Pfarrer Sieber, wo ich mein Methadon abholte, hörte ich von einem christlichen Therapiehaus. Verladen mit Rohypnol und Drogen sprach ich dann dort vor, hatte aber Stunden später keine Ahnung mehr von diesem Gespräch.

Wie durch ein Wunder fand ich am Eintrittsdatum den Weg doch wieder in dieses Therapiehaus. Hier bewältigte ich dann den Methadonabbau und fühlte mich ganz wohl. Mein Bild, das ich mir von Christen bis dahin gemacht hatte, musste ich gründlich revidieren. Ich erlebte in diesem Therapiehaus Menschen mit Lebensfreude und Humor.

Leben als Schafhirt

Schliesslich erkannte ich, dass ich viel Schuld auf mich geladen hatte. Ich wollte mit Gott ins Reine kommen und bekannte ihm meine Sünden. Ich wollte mit der Hilfe Gottes weiterleben. Anfangs machte ich in der Therapie gute Fortschritte, so dass ich bald in die Toscana durfte, wo die Bauernhöfe dieser Stiftung sind. Dort konnte ich dann die 30 Schafe übernehmen, was nicht immer leicht war. Oft gingen sie genau dann ab, wenn ich mich ausruhen wollte; so musste ich halt aufstehen und sie suchen gehen. Ich rebellierte in solchen Momenten gegen die Arbeit und die Therapeuten und sang Lieder von okkulten Gruppen. Zum Glück klickte es dann doch und ich merkte, dass ich diese Therapie für mich und nicht für den Staat machte. Auch merkte ich, dass mich Gott ganz frei gemacht hat und nicht nur halb.

Meine neuen Hobbies waren Lesen und Schreiben. Die Rebellion und Probleme lernte ich zu lösen und nicht beiseite zu fixen. Nach der Therapie verbrachte ich eine Zeit in einer Wiedereingliederungs-Wohngruppe im Tessin.
Mein Wunsch war, einen neuen Beruf zu erlernen. Ich wollte ein Praktikum in einem Buchladen absolvieren und ging in Lugano auf die Suche. In einem christlichen Buchladen bekam ich tatsächlich ein Angebot. Die Chefin meinte allerdings, dass ich mein Italienisch unbedingt verbessern müsse. Nach einem Intensiv-Sprachkurs konnte ich dann mein Praktikum beginnen. Nach zwei Monaten bot mir die Chefin die Lehrstelle als Buchverkäufer an. Ich stimmte voller Freude zu.

Wenn ich so nachdenke, wie Gott mich vom Letten zurück in den normalen Alltag führte, wie ich wieder Disziplin, Lebensfreude und Humor bekam, und das ohne einen einzigen Rückfall, kann ich nur danken!

... und heute

Ich wohne in Novaggio und arbeite halbtags in einem Missionswerk in Italien. Nachmittags arbeite ich in einem christlichen Buchladen in Agno. Heute lebe ich frei von Suchtmitteln und besuche die Bibelschule unserer Mission. Ich freue mich, dass ich bei Kongressen und Evangelisationen in Italien mitwirken darf.

© 2000 by VCRD-Arbeitsgruppe "voll high - jetzt frei"
Webumsetzung 2001 by Livenet.ch & Jesus.ch